FINANZVERWALTUNG des Landes Nordrhein-Westfalen
Minister Lienenkämper im Bundesrat
25.06.2021

Minister Lienenkämper zum Körperschaftsteuerrecht im Bundesrat

Rede des Ministers der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen, Lutz Lienenkämper, im Bundesrat am 25. Juni zur Verabschiedung des Optionsmodells für Familienunternehmen.

(es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

im internationalen Vergleich fällt Deutschland bei der Unternehmensbesteuerung immer weiter zurück. So belegte Deutschland bereits im Jahr 2019, unter Vor-Pandemie-Bedingungen – mit einer durchschnittlichen Unternehmensbesteuerung von knapp 30 Prozent (29,9 Prozent) den viertletzten Platz weltweit. In Europa gab es nur in Frankreich und Malta schlechtere Rahmenbedingungen.

Zur Einordnung: In Irland lag der durchschnittliche Steuersatz bei 12,5 Prozent, in den Skandinavischen Ländern um die 20 Prozent und in den USA bei knapp 26 Prozent. Da unser Exportland wie kaum ein anderes im internationalen Wettbewerb steht, leuchteten schon vor dieser Krise viele Warnlichter. Jetzt, im Lichte der Krise, erst recht. Es besteht Handlungsbedarf.

Das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts ist ein zwar zaghafter, aber trotzdem grundsätzlich zu begrüßender erster Versuch, die dringend notwendige Reform des Unternehmenssteuerrechts anzugehen. Zu hohe und zu komplexe Belastungen, sei es beim Strom, bei Lohnnebenkosten oder eben bei der Besteuerung, gefährden auf die Dauer die Grundlage unserer Wirtschaft.

Gerade jetzt wäre es jedoch wichtig gewesen, die Herausforderung ernsthaft anzupacken und damit beste Rahmenbedingungen für einen wirtschaftlichen Neustart, neue Wachstumschancen und für eine florierende Soziale Marktwirtschaft in den zwanziger und dreißiger Jahren zu schaffen. Ein modernes Besteuerungssystem ist dafür zentral.

Die neue Möglichkeit der Option zur Körperschaftsteuer ist hier immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Sie wird Wettbewerbsnachteile verringern, die Personengesellschaften bei der Thesaurierung von Gewinnen im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften bisher haben.

Wir als Länder haben diese Option von Anfang an unterstützt und noch während des Gesetzgebungsverfahrens wichtige Beiträge geleistet, damit sie möglichst administrierbar und zielgerichtet ausfällt. Es zeigt sich aber auch, dass die Option nicht alle Betroffenen erreicht und zudem in vielen Fällen zu unnötigen Härten führt:
  • so steht sie nicht allen Personengesellschaften und auch nicht dem Einzelunternehmer offen;
  • zudem muss die Option einheitlich für alle Gesellschafter ausgeübt werden, was bei unterschiedlichen steuerlichen Interessen Streit in den Gesellschafterkreis tragen kann;
  • schließlich kann die Option zu ungerechtfertigten Steuernachteilen führen, wenn einzelne Gesellschafter im Optionszeitpunkt im Ausland wohnen oder wenn sie nach erfolgter Option ins Ausland verziehen.
Abzuwarten bleibt auch, wie viele Personengesellschaften aufgrund der hohen Komplexität der Option und dem damit verbundenen Beratungsbedarf diese überhaupt in Anspruch nehmen werden. Ich fürchte genauso wie einige meiner Kolleginnen und Kollegen, dass gerade der Mittelstand als Stütze unserer Wirtschaft hier auf der Strecke bleibt. Dabei wäre gerade dieser Mittelstand als Motor für den Aufschwung nach der Corona-Pandemie so wichtig.

Aus dem Kreis der Länder wie auch alle Verbänden fordern wir daher, die bereits vorhandene Thesaurierungsbegünstigung nach § 34a EStG parallel zur Einführung des Optionsmodells zu aktualisieren:
  • die Bemessungsgrundlage der Thesaurierungs-begünstigung muss rechnerisch an die Regelungen für Kapitalgesellschaften angenähert werden. Das ist den Unternehmen übrigens bereits zum Unternehmenssteuerreformgesetz 2008 versprochen worden. Ich verstehe nicht, warum der Bundesfinanzminister dieses Versprechen bis heute nicht eingelöst hat.
  • Außerdem muss die Nachbelastung im Ausschüttungsfall an die der Kapitalgesellschaften angenähert werden. Das betrifft zum einen die optionale Anwendung des Teileinkünfteverfahrens.
Zum anderen muss - wie bei der Ausschüttung von Kapitalgesellschaften - die Möglichkeit der Verrechnung mit Verlusten aus anderen Einkunftsarten eröffnet werden. Damit steigern wir auch die Krisenfestigkeit der Unternehmen.
  • Schließlich sollten Gewinne, die nicht der Thesaurierungsbegünstigung unterworfen werden müssen künftig ohne schädliche Einsperrwirkung im Unternehmen belassen und bei Bedarf später steuerfrei entnommen werden können. Auf diese Weise wird die Gewinnverwendung flexibler.
Diese Möglichkeiten stünden allen Formen der gerade im Mittelstand verbreiteten Personengesellschaften offen, sind weniger komplex und daher mit einem deutlich geringeren Beratungsaufwand für die Unternehmen verbunden. Kurzum: Sie würden wirklich substanziell helfen!

Wie Sie wissen, liegen zu allen diesen Punkten bereits ausgearbeitete Formulierungsentwürfe vor. Ich bedaure sehr, dass der Bundesfinanzminister diese Vorschläge nicht aufgegriffen hat und sehe sie als dringenden Handlungsauftrag für die nächste Wahlperiode des Deutschen Bundestages. Unsere deutsche Wirtschaft verdient mehr! Denn sie besteht nicht aus gierigen Ausbeutern, sondern aus zig tausenden Betrieben, in denen Tag für Tag hart gearbeitet wird. Häufig als familien- oder inhabergeführte Unternehmen langfristig ausgerichtet und elementar wichtig für das Leben vor Ort. Es geht also um den Motor der deutschen Sozialen Marktwirtschaft. Und damit um Aufstiegschancen für Millionen Menschen! 

Wir sind es der mittelständischen Wirtschaft und dem Standort Deutschland insgesamt schuldig, hier eine flexible und alle Betroffenen erfassende Gesamtkonzeption aus einem Guss anzubieten. Mehr zu ermöglichen!
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Herzlichen Dank!

Videos der Bundesratsdebatte finden Sie hier.