Landesregierung macht Weg für neues Sondervermögen „Krisenbewältigung“ frei
Nordrhein-Westfalen errichtet mit dem zweiten Nachtragshaushalt 2022 ein Sondervermögen „Krisenbewältigung“. Es zeigt sich, dass die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, die dadurch bedingte Einstellung der russischen Gaslieferungen, die zuletzt massiven Preissteigerungen bei Gas und in der Folge auch bei Strom eine erhebliche, teilweise existenzbedrohende Belastung für Bevölkerung und Unternehmen in Deutschland darstellen. Aus insbesondere diesem Grund hat auch der Deutsche Bundestag mit seinen Beschlüssen vom 3. Juni 2022 (BT-Drs. 20/2036) und 21. Oktober 2022 (BT-Drs. 20/4058) festgestellt, dass eine außergewöhnliche Notsituation besteht, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigt.
Nordrhein-Westfalen wird von dieser Krise deutlich härter getroffen als die anderen Länder, da die Wirtschaftsstruktur unseres Landes geprägt ist durch viele Grundstoffindustrien, die besonders energieintensiv sind. Hierzu gehören insbesondere die Metallverarbeitende und die Chemische Industrie, die aufgrund der hohen Energiekosten, die nicht unmittelbar und vollständig an die Endabnehmer weitergereicht werden können, erheblich unter Druck geraten sind, Verluste einfahren oder gar ihre Produktion ganz oder teilweise einstellen mussten. Insofern ist der Einbruch des Wachstums in einem von energieintensiver Industrie geprägten Land wie Nordrhein-Westfalen stärker ausgeprägt als in Ländern, in denen die Wirtschaftsstruktur eine andere ist. Das zeigt etwa die Wachstumsprognose des ifo-Instituts vom 2. November 2022: Rückgang BIP-Wachstum in Nordrhein-Westfalen um -2,8 Prozent, Bund: +0,3 Prozent. So sank die Industrieproduktion im dritten Quartal 2022 in Nordrhein-Westfalen nach den Feststellungen der Deutschen Bundesbank um 4,6 Prozent, während der gesamtdeutsche Trend ein Plus von 1,9 Prozent zu verzeichnen hatte. Auch das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung kommt mit einer eigenen Modellrechnung zu dem Ergebnis, dass der wirtschaftliche Einbruch in Nordrhein-Westfalen mit einem BIP-Rückgang im 3. Quartal von -0,5 Prozent deutlich stärker ist als in den anderen Ländern.
„Deshalb gilt es, nun besonnen und entschlossen zu handeln. Krise braucht Klarheit und Sicherheit für die Menschen. Dieser Notsituation kann nur mit sofort und umfassend wirkenden Investitions- und Hilfsprogrammen begegnet werden, um Rezession und Energiekrise zu bekämpfen, die Realwirtschaft zu stabilisieren und langfristige und bleibende volkswirtschaftliche und soziale Schäden zu vermeiden“, so Minister der Finanzen Dr. Marcus Optendrenk.
Die Beeinträchtigung der staatlichen Finanzlage erfasse dabei nicht nur unmittelbare Auswirkungen der außergewöhnlichen Notsituation auf die Finanzlage, es sind insbesondere auch diejenigen Finanzbedarfe einzubeziehen, die zur Beseitigung der aus einer Notsituation resultierenden Schäden und etwaigen vorbeugenden Maßnahmen entstehen. „Dabei werden die Hilfsprogramme einerseits bestehende Lücken der Bundeshilfsprogramme der Strom- und Gaspreisbremse sowie der zusätzlichen Härtefallfonds schließen, andererseits mit Blick auf die besondere Situation in Nordrhein-Westfalen aber darüber hinausgehen. Das Land ist gezwungen, die multiplen Krisen aktiv zu bewältigen“, so der Minister weiter. Das bedeutet einerseits, Hilfen zu leisten für Unternehmen, damit sie die schwierige Situation im Winter bewältigen. Es gilt, drohende Produktionsverlagerungen in Länder mit niedrigeren Energiekosten zu verhindern. Dazu müssen kurzfristige Unternehmenshilfen umgesetzt und die Transformation der Wirtschaft beschleunigt werden, um von fossilen Energieträgern unabhängiger zu werden.
Darüber hinaus gilt es, Hilfen zu leisten für Bürgerinnen und Bürger, um insbesondere für einkommensschwache Haushalte die Auswirkungen der Energiekrise abzupuffern, und die soziale Infrastruktur zu erhalten, um so den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft nicht zu gefährden.
Die außergewöhnliche Notsituation erlaubt es gem. § 18b LHO in Verbindung mit Art. 109 Abs. 3 S. 2, 2. Alternative GG, nach Zustimmung durch den Landtag ein Sondervermögen „Krisenbewältigung“ zu errichten und Maßnahmen zur Krisenbewältigung durch dafür notwendige Kredite zu finanzieren. Mit der kurzfristig geänderten Justierung in der Haushaltspolitik ermöglicht die Landesregierung, dass einzelne Maßnahmen zur Krisenbewältigung noch Ende dieses Jahres greifen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist der Staat als Stabilitätsanker gefragt, der durch zusätzliche antizyklische Investitionen die Nachfrage steigert und so dazu beiträgt, die Krise zu überwinden.